Eine zentrale Thematik, die im Roman „Homo
Faber“ von Max Frisch behandelt wird, ist der Gegensatz von Natur und Technik.
Dieser wird bereits deutlich, wenn man den Titel des Buches eingehender
betrachtet. „Homo“, der lateinische Ausdruck für Mensch wird oftmals in der
Anthropologie verwendet, um den Menschen als Gruppe/ Rasse zu definieren, die
in der Natur beheimatet ist. Mit dem Begriff „Natur“ assoziiert man
Unkontrollierbares, Nicht vom Menschen Geschaffenes. „Faber“ wiederum bedeutet
so etwas wie „schaffend“ oder „ der Handwerker“. Der Titel soll also einen
Menschen präsentieren, der sich als aktiver Veränderer seiner Umwelt
auszeichnet. Zusätzlich verweist der Untertitel „Bericht“ darauf, dass die
Ereignisse aus dem Leben Fabers in chronologischer, nüchterner und sachlicher
Art und Weise verfasst werden sollen.
Die Sichtweise Walter Fabers auf die Natur
wird im Folgenden an zwei beispielhaften Szenen betrachtet. Anhand dieser Sichtweise
soll zudem der Wandel Fabers präsentiert werden. Die erste Szene mit der wir
uns beschäftigt haben, ist die Notlandung des Flugzeuges in der Wüste von
Tamaulipas. Da diese Notlandung lediglich geschieht, weil zwei Motoren der
Maschine ausfallen, erwartet man dass sich Faber darüber Gedanken mache, wie es
zu dem Versagen der Technik kommen konnte. Jedoch lässt er die Durchsage des
Kapitäns unkommentiert und betrachtet die Landschaft unter ihm. Hier fällt auf,
dass er alle Naturphänomene versucht, mit technischen Begriffen zu beschreiben
(„glitzerte es wie Lametta beziehungsweise wie Stanniol“, S.19). Bereits bei
dieser Naturbeschreibung wird deutlich, dass Fabers Beschreibungsversuche mit
technischen Begriffen versagen. Um die Farbe der Sümpfe zu beschreiben,
benötigt er Vergleiche mit dem Rot eines Lippenstiftes (S.19), das Glitzern der
Sonne vergleicht er sogar mit den Augen Ivys. Fabers Denkweise alles nüchtern
und sachlich zu sehen und in der Natur nichts Poetisches oder Mythologisches
finden zu können, wird folglich bereits zu Beginn des Romans in Frage gestellt.
Man erkennt sehrwohl eine gewisse Faszination bzw. Wertschätzung der Natur, die
Faber jedoch zu verdrängen versucht. Besonders deutlich wird dieses Verhalten
in der Wüste von Tamaulipas. Er kann nicht begreifen, wie Menschen Natur als
Erlebnis wahrnehmen können („Ich habe mich schon oft gefragt, was die Leute
eigentlich meinen, wenn sie von Erlebnis reden. Ich bin Techniker und gewohnt
die Dinge zu sehen, wie sie sind.“, Seite 25). Faber beschreibt alle
Naturphänomene um sich rum sowie die Assoziationen und Bilder, die andere
Menschen mit diesen Erlebnissen verbinden. Selbst negiert er jedoch diese
Sichtweise. Allein dass er diese Mystik in der Natur erkennt („versteinerte
Engel“, „Gespenster“, „Totenreich“ „abgestorbener Vogel“, S.26), zeigt jedoch
dass er die Dinge ebenfalls so sieht wie andere Menschen, diese Erlebnisse
jedoch nicht zulassen will („Ich sehe auch keine versteinerten Engel, es tut
mir leid; auch keine Dämonen, ich sehe, was ich sehe: die üblichen Formen der
Erosion.“, S.26).
Besonders zu schaffen, macht Faber der
fehlende Strom, da er keine Möglichkeit besitzt, sich zu rasieren. Er „[hat]
dann das Gefühl, [er werde] etwas wie eine Pflanze“ (S.29), da ihm die
Kontrolle über seinen Bartwuchs entzogen ist. Der Vergleich mit einer Pflanze
verdeutlicht erneut Fabers Ekel vor der Natur und sein Missfallen, wenn der
Mensch nicht über diese herrschen kann. Man kann sogar sagen, dass es Faber
Angst macht, wenn die Natur in gewissen Momenten Überhand über die Technik
nimmt. Eine weitere Besonderheit in Fabers Naturbetrachtung ist die ständige
Nutzung seiner Kamera („und nahm sofort die Kamera“, S.24) Alle Eindrücke, die
er in der Wüste vor sich sieht, hält Faber mit seiner Kamera fest. Somit lässt
er der Natur keine Möglichkeit auf ihn zu wirken, sondern betrachtet diese
meist nur durch ein technisches Gerät.
Die nächste näher betrachtete Szene ist
Fabers Aufenthalt in Cuba nach dem Tod Sabeths. Auffallend hierbei ist
zunächst, dass er diesen Umweg nur macht, um nicht über New York fliegen zu
müssen. Er distanziert sich von seinem im ganzen Roman verkörperten „American
Way of Life“ und hegt sogar Gefühle des Abscheus gegenüber Amerika. („Mein Zorn
auf Amerika!“ „dieses Coca-Cola-Volk, das ich nicht mehr ausstehen kann.“, S.
190 oder „ihre Städte, die keine sind, Illumination, am anderen Morgen sieht
man die leeren Gerüste, Klimbim, infantil“, S.192). Zudem ist er nicht mehr der
von sich selbst überzeugte Techniker, sondern beginnt an seinem Lebensstil zu
zweifeln und fragt sich, was wäre „wenn man nochmals leben könnte“ (S.191) Ihn
beschäftigen die Ereignisse der letzten Wochen, besonders das Kennenlernen
Sabeths, deren Unfall und letztendlich deren Tod. Andererseits versucht er
jedoch sein Leben zu genießen und die negativen Gedanken an einer möglichen
Schuld am Tod zu verdrängen.
Bezüglich Fabers geänderter Sichtweise auf
die Natur kann man feststellen, dass
Faber in Cuba versucht, die Technik weitesgehend aus seinem Alltag zu entfernen.
Das Rasieren beispielsweise, dessen Fehlen Faber in der Wüste regelrecht nervös
gemacht hat, da er dadurch die Kontrolle über sich verloren hat, wird auf
dieser Reise gar nicht erwähnt. Zum anderen hat er das Filmen und Fotografieren
aufgegeben. Er spricht sogar von der Sinnlosigkeit des Filmens, wo er vorher
doch so begeistert von war („Hanna hat Recht: Nachher muss man es sich als Film
ansehen, wenn es nicht mehr da ist, und es vergeht ja doch alles“, S.198).
Faber möchte nun die Natur bewusst erleben. Dieser Zugang gelingt ihm jedoch
nicht vollständig. So benötigt er noch immer Vergleiche mit der Technik, um die
Natur erleben zu können („Licht der Blitze; nachher ist man wie blind, einen
Augenblick lang hat man gesehen: die schwefelgrüne Palme im Sturm, Wolken,
violett mit der bläulichen Schweißbrenner-Glut [..]“, S. 190). Faber begegnet
der Natur nun wesentlich aufgeschlossener und versucht ein Teil dieser zu
werden. In wenigen Situationen gelingt ihm dies sogar.
Auch seinen Mitmenschen gegenüber begegnet
Faber wesentlich offener. Vorallem anderen Rassen gegenüber ändert er seine
Sichtweise sehr deutlich. Er findet eine dunkelhäutige Spanierin schön (S.187
f.), wogegen er auf seiner Reise zu der Plantage in Guatemala noch Aussagen wie
„ihr Riesenmaul, ihr Kruselhaar“, (S.12) tätigte. Die Bekanntschaft mit Juana
zeigt Fabers Wandel auf: er offenbart ihr seine Lebensgeschichte und spricht
mit ihr über Begriffe wie Todsünde (S.195). Man erkennt eine Schuldeingestehung
Fabers. Zu Beginn des Romans wäre Faber einer fremden Person gegenüber niemals
so offen gegenübergetreten und hätte Dinge thematisiert, die außerhalb des
Bereiches Technik liegen.
Zum Ende seiner Reise wird sich Faber
bewusst, dass er seinen eigenen Lebensstil missachtet, aber trotzdem nicht die
Möglichkeit hat sich von diesem vollständig zu lösen. Er bezeichnet sich als
„Leiche im Corso der Lebenden“ (S.193)
Quellen
Max Frisch, Homo Faber. Ein Bericht: Suhrkamp
Verlag, Erste Auflage
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